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Gendergerecht schreiben: Gendersprache in Übersetzungen

Geschicktes Gendern stellt eine Herausforderung im Übersetzungsprozess dar

Die derzeitige Debatte um das Gendern in Deutschland stellt Übersetzer und Übersetzerinnen – oder doch Übersetzende? – vor neue Schwierigkeiten beim Übersetzen in die deutsche Sprache. Wie kann beispielsweise ein geschlechtsneutrales Wort wie „employee“ aus dem Englischen ins Deutsche übertragen werden, sodass sich alle Geschlechter damit angesprochen fühlen? Und das, ohne die Lesbarkeit zu beeinträchtigen? 

In Ermangelung einer festen Regelung müssen Sprachprofis von Fall zu Fall die richtige Vorgehensweise selbst bzw. in Absprache mit den Auftraggebenden entscheiden. In diesem Artikel erfahren Sie, welche Erwägungen hierbei eine Rolle spielen und wie Sie richtig gendern, ohne dass Ihre Texte und Übersetzungen darunter leiden. 

Was ist gendergerechte Sprache? 

Bevor wir näher auf die Problematik des Genderns beim Übersetzen eingehen, sollten wir klären, was „gendergerechte Sprache“ überhaupt ist. Es handelt sich um eine sprachliche Ausdrucksweise, die alle Geschlechter bzw. Geschlechtsidentitäten – seit Dezember 2018 offiziell männlich, weiblich und „divers“ – mit einbezieht. Diese drei Geschlechtsoptionen sind im Personenstandsgesetz festgelegt, wobei „divers“ Personen beschreibt, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht eindeutig zuordnen. Sie werden häufig unter dem Sammelbegriff „nicht-binär“ zusammengefasst, obwohl es hier mehrere Untergruppen mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten gibt. 

Die deutsche Sprache unterscheidet traditionell jedoch nur zwischen männlichen oder weiblichen Personenbezeichnungen: der Maler oder die Malerin, der Schüler oder die Schülerin usw. Nicht-binäre Personen fühlen sich von keiner dieser Bezeichnungen angesprochen. Darüber hinaus dominiert im Deutschen das sogenannte generische Maskulinum, also die männliche Form als Überbegriff für alle Geschlechter. Andere Personengruppen fühlen sich hierdurch unsichtbar gemacht. 

Die geschlechtergerechte Sprache soll das ändern. Sie bezeichnet einen Sprachgebrauch, der geschlechtsneutrale Formulierungen in Wort und Schrift verwendet, um die Gleichstellung aller Menschen zum Ausdruck zu bringen.  

Die Debatte um die genderneutrale Sprache 

Die Meinungen zum Gendern gehen weit auseinander. Laut Umfragen ist die Mehrheit der Deutschen gegen gendergerechte Sprache. Ihre Gegner behaupten, Gendern sei unnötig, denn das generische Maskulinum beziehe sich auf alle Geschlechter. Genus, das grammatische Geschlecht, habe nichts mit Sexus, dem natürlichen Geschlecht, zu tun. Viele kritisieren, dass Texte durch Gendern unübersichtlich werden und sich nicht gut automatisch vorlesen lassen, was die Barrierefreiheit hindern kann.  

Kritiker beanstanden auch, dass Gendern der amtlichen Rechtschreibung widerspricht. Darüber hinaus können Grammatikfehler entstehen, zum Beispiel falsche bzw. unvollständige Formen (Ärtz*in, Bauer*in, Kolleg*in). Wenn Artikel oder Adjektive ins Spiel kommen, wird es besonders kompliziert: 

  • Wir suchen eine begeisterte Teilnehmer*in für unser Projekt. (Falscher Bezug: eine begeisterte Teilnehmer statt einen begeisterten Teilnehmer) 

  • Die Benachrichtigung der erfolgreichen Kandidat*in erfolgt per E-Mail. (Falscher Bezug: der erfolgreichen Kandidat statt des erfolgreichen Kandidaten) 

Befürworter der gendergerechten Sprache argumentieren dagegen, dass der derzeitige Sprachwandel die moderne Entwicklung unserer Gesellschaft widerspiegele. Geschlechtsidentität und Gleichberechtigung sind heiße Themen, die auch bei der Kommunikation berücksichtigt werden müssen. Schließlich gehe es nicht nur darum, was jemand meint, sondern vielmehr, wie es aufgefasst wird.  

Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass Gendersprache andere Assoziationen im Gehirn hervorruft als das generische Maskulinum. Der Einsatz einer genderneutralen Sprache kann nicht nur die Genauigkeit der Interpretation, sondern auch das Verständnis verbessern.  

Was ist bei gendergerechter Sprache im Übersetzungsprozess zu beachten? 

Beim Übersetzen sind Genauigkeit und Verständlichkeit wichtige Ziele. Sind die Ausgangstexte in einer Sprache verfasst, die kein grammatisches Geschlecht kennt, können sich leicht Fehlinterpretationen einschleichen. Der englische Satz „Our staff consists of 50 teachers“ kann beispielsweise auf dreierlei Weise aufgefasst werden: 

  • Wir beschäftigen 50 Lehrer. 

  • Wir beschäftigen 50 Lehrerinnen. 

  • Wir beschäftigen 50 Lehrer und Lehrerinnen. 

Sie alle haben eine unterschiedliche Bedeutung. Die dritte Lösung mag auf der sicheren Seite erscheinen –  doch was, wenn es sich tatsächlich um 50 weibliche Lehrerinnen handelt? Ganz zu schweigen, dass keine dieser Lösungen intersexuelle Menschen mit einbezieht. 

Um beim Übersetzen möglichst unauffällig und geschickt zu gendern, kann es nötig sein, den Ausgangstext etwas umzuformulieren. Versierte Sprachprofis können viele Probleme umgehen, indem sie etwas um die Ecke denken. Die Situation oben könnte beispielsweise gelöst werden mit der Übersetzung: Unser Lehrerkollegium besteht aus 50 Personen. 

Geschickt gendern: Gendersternchen, Binnen-I, Gender-Gap oder wie?   

Insbesondere Unternehmen, die viel aus dem Englischen ins Deutsche übersetzen, müssen entscheiden, ob und wie sie die Gendersprache in ihrer internen sowie externen Kommunikation umsetzen wollen. Sofern Sie eine genderneutrale Sprache anstreben, bestehen mehrere Möglichkeiten, diese in Ihre Unternehmenskommunikation zu integrieren. Die folgenden Strategien sind beliebte Workarounds, um mehr oder weniger geschickt zu gendern. 

Doppelnennungen 

Um Männer und Frauen gleichberechtigt zu behandeln, können Sie im Deutschen jeweils beide Geschlechter nennen. So werden „all employees“ zu „alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.“ Allerdings führt diese Lösung unter Umständen zu sehr langen, unübersichtlichen Texten.  

Binnen-I 

Diese Variante ist bereits seit den 80er Jahren in Gebrauch: Aus „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“ wird MitarbeiterInnen. Allerdings gibt es hier Probleme, wenn die männliche und weibliche Bezeichnung unterschiedliche Wortstämme haben, wie beispielsweise bei Arzt/Ärztin. Auch beim Plural können Probleme auftreten. „Redakteure“ sind männlich, „Redakteurinnen“ weiblich – um aus ihnen RedakteurInnen zu bilden, muss das -e der Redakteure wegfallen. 

Schrägstrich oder Klammern 

Auch diese Optionen werden seit Jahren angewendet, um männliche und weibliche Personen gleichermaßen anzusprechen:  

  • Jede(r) Fotograf(in) 

  • Jede/r Fotograf/in 

Hier treten jedoch ähnliche Probleme wie beim Binnen-I auf. Darüber hinaus wird die Lesbarkeit eines Textes durch diese Konstruktionen stark beeinträchtigt – und verbal lassen sie sich kaum verwenden. 

Ein weiteres Problem dieser traditionellen Ansätze ist, dass sie nur das männliche und weibliche Geschlecht einbeziehen und nicht-binäre Personen außen vorlassen. Um dies zu beheben, gibt es neuere Strategien. Diese haben jedoch ebenfalls ihre Tücken. 

Gendersternchen 

Die derzeit beliebteste Variante, um gendergerecht zu schreiben, ist der Genderstern, zum Beispiel Lehrer*innen. Das Sternchen dient als Platzhalter, um die Geschlechtervielfalt auszudrücken, und soll auch als Symbol für nicht-binäre Personen stehen. Sie sind also nicht mehr nur mitgemeint, sondern mit erwähnt. 

Gender-Gap oder Gender-Doppelpunkt 

Der Gender-Gap ist ein Unterstrich, der wie das Gendersternchen die verschiedenen Geschlechtsidentitäten ausdrücken soll: Lehrer_innen. Statt einem Unterstrich wird teilweise auch ein Doppelpunkt verwendet: Lehrer:innen.  

Geschlechtsneutrale Formulierungen 

Eine elegantere Lösung ist das Ausweichen auf Wörter, die nicht explizit mit einem bestimmten Geschlecht assoziiert werden. 

  • Lehrer/Lehrerinnen: Lehrende, Lehrkörper 

  • Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen: Mitarbeitende, Personal, Belegschaft 

  • Student/Studentin: Studierende 

  • Nutzerhandbuch: Nutzungshandbuch, User-Guide 

In manchen Fällen, insbesondere bei der Technischen Dokumentation, ist der Imperativ eine gute Alternative zur Gendersprache, denn dieser ist von Natur aus geschlechtsneutral. 

Neben diesen Strategien gibt es noch andere Möglichkeiten, gendergerecht zu schreiben. Die Gesellschaft für deutsche Sprache e.V. hat die Vor- und Nachteile der jeweiligen Optionen in einer nützlichen Leitlinie zu den Möglichkeiten des Genderings zusammengefasst. 

Geschickt gendern erfordert Kreativität und Sprachkenntnis 

Idealerweise wird der Lesefluss durch das Gendern nur minimal gestört. Hier ist Kreativität von Seiten der Sprachprofis gefragt. Richtig gendern ist eine Kunst, die Erfahrung erfordert.  

Egal, für welchen Ansatz Sie sich entscheiden – wichtig ist, dass Sie beim gendergerechten Schreiben keine Missverständnisse erzeugen. Berücksichtigen Sie die Bedürfnisse Ihrer Zielgruppen, aber denken Sie daran, dass Ihre Texte vor allem verständlich, eindeutig und rechtssicher sein müssen. 

Lassen Sie uns beim Verfassen Ihrer genderneutralen Texte helfen. Wir unterstützen Sie beim gendergerechten Schreiben oder Übersetzen Ihrer Unternehmenstexte. Kontaktieren Sie uns, um ein Gespräch zu vereinbaren. Gemeinsam können wir die Gendersprache elegant in Ihrer Unternehmenskommunikation umsetzen. 

 

 

 

 

 

 


Über den Autor

Stephen Healy

CEO

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